Andrea Fortmann, this lead lies both heavy and light / eye wide shut, 2021 © Fabian Stamm | kunstkasten, 2021

Andrea Fortmann, this lead lies both heavy and light / eye wide shut, 2021 © Fabian Stamm | kunstkasten, 2021

Andrea Fortmann, this lead lies both heavy and light / eye wide shut, 2021 © Fabian Stamm | kunstkasten, 2021

Andrea Fortmann, this lead lies both heavy and light / eye wide shut, 2021 © Fabian Stamm | kunstkasten, 2021

18. Dezember 2021 — 18. Februar 2022

Andrea Fortmann

this lead lies both heavy and light / eye wide shut

Die konzeptuellen Arbeiten von Andrea Fortmann untersuchen die Eigenwahrnehmung und das Abbild des Körpers in dessen Umwelt. Dabei befragt sie das eigene Handeln und die damit verbundene Verantwortung und Sinngebung. Ausgangspunkt der Werke bildet die Verschränkung des analogen und virtuellen Alltags der Künstlerin. Der Schwerpunkt der Beobachtungen liegt auf sozialen Phänomenen, ästhetischen Mehrdeutigkeiten und den Strategien des Daseins.
Unter Anwendung des computational thinking werden aktuelle Realitäten mit Methoden der digitalen Kultur übersetzt und berechnet und somit in einer Computersprache formulierbar gemacht. Dadurch findet eine Vereinfachung des menschlichen Erlebens statt.
Handlungen und Materialien werden aus ihrem Kontext gelöst und in den Arbeiten von Andrea Fortmann neu verordnet. Die inhaltlichen Motive der Arbeiten sollen durch eben diese, von ihrem ursprünglichen Zusammenhang losgelösten, neu kontextualisierten Materialen vermittelt werden. Den eigenen Umgang mit Material und Medien beschreibt die Künstlerin als Found- und Ground-Footage – gefundene Grund-Aufnahmen. Die verwendeten Werkstoffe können einerseits als Gegenüber des Körpers oder stellvertretend für den Körper gelesen werden. Nebst den physischen Substanzen werden immer auch digitale Referenzen eingesetzt. Durch die Wechselwirkung zwischen anmutend Organischem und Künstlichem stellt die Künstlerin die Subjekt-Objekt-Dichotomie zwischen Mensch und Umgebung, bzw. dem Zentrum und der Peripherie in Frage.

Für den kunstkasten bringt Andrea Fortmann die beiden parallel entstandenen Arbeiten this lead lies both heavy and light und eye wide shut in einen Dialog. Während der zweimonatigen Ausstellung plant sie immer wieder kleinere Interventionen und schafft dadurch eine Art Prozessverlängerung ihrer Arbeit.
this lead lies both heavy and light entstand aus dem aktuellen Interesse der Künstlerin am Material Blei. An welches Wissen und an welche Erinnerungen ist das Material gebunden? Wie fühlt es sich an und wie findet es Verwendung? Blei ist ein Hartmetall, schwer und kalt, anpassungs- und aufnahmefähig, es speichert Druck in seiner Form und Berührung an seiner Oberfläche. Industriell wird es äusserst vielseitig eingesetzt und als Endprodukt für gegensätzliche Handlungen angewendet – so wird es beispielsweise als Mantel von Munition verarbeitet und gleichzeitig zur Herstellung von Strahlenschutz für den menschlichen Körper verwendet. Dieses Kontroverse wird in der Arbeit im kunstkasten aufgegriffen. Gezeigt wird eine Schaumstoffmatratze, die von einer glänzenden Decke aus Walzblei zugedeckt ist. Das Bett ist der Ort, wo der Körper sich ausruht, Gewicht und Last abgibt und sich schlussendlich selbst vergisst. Das Leichte und Weiche wird von der bleiernen Decke überzogen, die durch ihre Schwere in die andere Richtung wirkt, das Bett runter zu drücken scheint und dadurch diesen Ort der abgegebenen Verantwortung befragt.
Dieser komprimierenden Kraft steht die Arbeit eye wide shut gegenüber. Das Video ist eine Reflexion über die ästhetische Wirkung der Selfieperspektive einer 360° Kamera. Die Kamera, die direkt ans Smartphone angebracht wird, setzt sich aus zwei 180° Linsen zusammen. Bei einer Aufnahme werden zwei Bilder erzeugt und automatisch zu einem Rundum-Bild zusammengesetzt. Ausgehend vom Interesse am Medium ist es insbesondere der Glitch, also die Flickstelle, die zum zentralen Element in dieser Arbeit wird und sich als Schnitt im Bild manifestiert. Das Abbildungsverfahren zensiert sich demnach selbst, indem die Kamera im Schnitt verschwindet. Das Halten der Kamera formt sich um zu einem Greifen nach Etwas, das unbekannt und scheinbar unerreichbar bleibt.

Andrea Fortmann (*1991, lebt in Luzern und arbeitet in Luzern, Bern und Basel), ist ursprünglich Fachperson Gesundheit, besuchte die Keramikdesign-Fachklasse an der SfG Bern und studierte anschliessend Kunst und Vermittlung an der Hochschule Luzern. Jüngste Ausstellungen und Performances: Communitas III (2021), Kunsthaus Steffisburg; Dreimaldreimaldrei (2021), Kunsthalle Luzern; Connection Requested (2021), Kunstpavillon Luzern; K_rien/rein_S, Galerie Kriens (2021), Luzern; Cantonale Bern Jura (2020), Kunsthaus Interlaken; Jungkunst Winterthur (2019), Winterthur; Instant Feng-Shui (2019), Akku Kunstplattform, Emmenbrücke; Bable and Bubbles (2019), Klodin Erb und Band, Shedhalle, Zürich; The Divine Comedy (2018), Rirkrit Tiravanija, Fondation Beyeler, Basel. Weitere Infos: https://andreafortmann.com


Kuratiert von Katharina Lang



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