Fabian Stamm, ‹Chusha› – nonpermanente Strukturen in Wüstengebieten des Sinai, 2022

Fabian Stamm, ‹Chusha› – nonpermanente Strukturen in Wüstengebieten des Sinai, 2022

Fabian Stamm, ‹Chusha› – nonpermanente Strukturen in Wüstengebieten des Sinai, 2022

Fabian Stamm, ‹Chusha› – nonpermanente Strukturen in Wüstengebieten des Sinai, 2022

Fabian Stamm, ‹Chusha› – nonpermanente Strukturen in Wüstengebieten des Sinai, 2022

Fabian Stamm, ‹Chusha› – nonpermanente Strukturen in Wüstengebieten des Sinai, 2022

21. April 2022 — 03. Mai 2022

Fabian Stamm

‹Chusha› – nonpermanente Strukturen in Wüstengebieten des Sinai

Öffentliche Räume sind das bevorzugte Terrain des Fotografen Fabian Stamm, in denen er versucht politische Einschreibungen aufzuspüren und in seine Bilder zu übertragen. In seiner 15-teiligen Plakatarbeit ‹Chusha›, die für zwei Wochen im F4-Format im öffentlichen Raum der Stadt Winterthur gezeigt wird, folgt Fabian Stamm fotografisch dem Alltag von Menschen in der ägyptischen Wüste Sinai. Diese führen bewusst oder teilweise auch gezwungenermassen das Leben in der Wüste und versuchen so der ägyptischen Gesellschaft zu entfliehen. 

Als Ort für die Fotografien, hat Fabian Stamm die Landzunge zwischen Dahab und Nuweiba, Abu Galum für sich entdeckt. Obwohl die von ihnen bewohnte Küstenregion des Roten Meeres direkt am Meer gelegen ist, gehört sie zu den trockensten der Sinai-Halbinsel: Niederschlag gibt es meist nur zweimal im Jahr und die Temperaturen fallen nachts selten unter 15 Grad Celsius. Hier haben die Menschen ihre ‹Chushas› errichtet – nonpermanente Behausungsstrukturen. Die Landzunge, auf der sie sich befinden, kann man in ihrer Beschaffenheit und Lage mit einer Theaterbühne vergleichen. Der sandige Ausläufer der Gebirgswüste des westlichen Sinai ist ohne menschliches Zutun ganz einfach leer. Hier gab es nichts, ausser einem Gewächs namens Galum, welches einige Wochen nach Regenfällen für kurze Zeit den Boden begrünt. Ein Kraftfutter für Kamele und ein Grund, warum der Ort überhaupt von Beduinen beansprucht wurde. Ansonsten sind es nur Sand und Steine, die die Landschaft ausmachen. Diese Bühne ist also zu Beginn leer. Erst durch die Architektur, durch die Requisiten und Schauspieler:innen wird sie belebt und es kann eine Handlung möglich werden. 

In den Fotografien wirken die Objekte, also die Architektur und die Protagonist:innen, als ob sie ihrer Umgebung beliebig zugefügt wurden. Es gibt keine gesamthafte städtebauliche Struktur, anhand derer man den Ort erfassen könnte. Die Objekte in der Landschaft sind eher willkürlich angeordnet. Die einzige Prämisse: Blick auf das Meer und eine Rückseite gegen die Windböen. Betrachtet man die Kleidung der Beduinen, kann auch diese als erweiterte Möblierung der Chuscha gesehen werden. Die Galabija, ein langes lockeres Gewand schützt vor Sonne und Wind, die Kopfbedeckung besteht aus einem hin und her wehenden Tuch, welches lästige Fliegen davon abhält, auf unbedeckte Haut zu gelangen. Sich bedecken und Einhüllen in Stoffe, adaptieren auch ortsfremde Besucher:innen relativ schnell. Fotografisch interessiert Fabian Stamm dieser Überschneidungspunkt oder auch fliessender Übergang von Behausung zu Bekleidung. Die Kleidung, sozusagen als ultimativ-temporäre Struktur – das Tuch um die Schultern, eine Wand. Das Tuch oder der Hut auf dem Haupt und Schultern, ein erweitertes Dach. 

Fabian Stamms Fotografien sind eine Sammlung von Spuren, Fundstücken, Strukturen und Porträts von Menschen, auf der Suche nach Antworten auf die Frage, was eine Behausung definiert und welchen Schutz wir vor unserer Umwelt brauchen und wollen. Das umfassende Archiv der Fotografien und Aufzeichnungen zu ‹Chusha› findet sich unter folgender Projektwebsite: www.chusha.xyz

Orte der Plakate im Stadtraum Winterthur sind:
Technikumstrasse 57
Stadthausstrasse 4a
Tösstalstrasse 26
Frauenfeldstrasse 34
Museumstrasse 52
St. Gallerstrasse 63
Römerstrasse 243
Reitweg 20
Römerstrasse 83
Hochwachtstrasse 43
Zürcherstrasse 102
Theaterstrasse 8
St. Georgenstrasse 83
Grützenstrasse 45a
Langgasse 38

Am 23. April, 15 Uhr, findet ein öffentlicher Walk des Künstlers zu ausgewählten Plakatstandorten statt. Treffpunkt ist: Villa Sträuli, Museumstrasse 60, 8400 Winterthur


Fabian Stamm (*1983, lebt und arbeitet in Winterthur) versteht es in seinen Fotografien die Repräsentationsformen von Macht offenzulegen. Dabei bringt er vor allem die unterschwellig wirkenden Manifestationen von Autoritäten zum Ausdruck und stellt sie mit dem Individuum in Beziehung. Er gewann 2012 den Globetrotter World Photo Award, der es ihm ermöglichte ein Langzeitprojekt über die kurdische Jugend im Nordirak zu realisieren. Er ist Mitglieder der Vereinigung «Reporter ohne Grenzen» (ROG), die 2014 das Buch «Reportagen für die Informationsfreiheit» herausgab. Darin sind Aufnahmen aus seiner Reportage «Traverse la frontière» enthalten, in der er an der türkisch-syrischen Grenze die Situation der Flüchtlinge dokumentierte. Auch im fotografischen Projekt «Tehran Paradise» von 2015 befasste sich Stamm mit Unterstützung durch den Kulturförderpreis des Kantons Schaffhausen mit den politischen Verhältnissen im Nahen Osten. 2018 entstand dann das Projekt «Museum der Korruption», welches Fabian Stamm dank der Werkunterstützung der deutschen Stiftung Renovabis in der Ukraine umsetzen konnte. Weitere Infos: www.fabianstamm.com / www.chusha.xyz

Kuratiert von Julia Wolf 

 



Mit freundlicher Unterstützung von